Wenn ich die Augen schließe

 Titel: Wenn ich die Augen schließe
Autor: Ava Reed
Verlag: Loewe
Seiten: 320

Inhalt:

Was wenn du dich an alles erinnern kannst - außer an deine Gefühle?

Diese Frage stellt sich Norah nach einem schweren Autounfall. Zwar erinnert sie sich an die meisten Momente ihres Lebens, aber eben nicht an das, was sie dabei empfunden hat. Liest sie gern? Liebt sie ihren Freund? Findet sie ihre kleine Schwester tatsächlich so nervig? Nur ihren Sandkastenfreund Sam verbindet sie noch mit einem Gefühl. Doch sie hatten seit Jahren keinen Kontakt, weil Norah beliebt wurde und Sam nicht. Während die beiden sich langsam wieder annähern, entwickeln sie eine Ausprobierliste. Und plötzlich fragt sich Norah: War sie vor dem Unfall wirklich sie selbst? 

Meine Meinung:

Norah ist ein typischer Teenager. Doch dann verändert ein schwerer Autounfall ihr alltägliches Leben komplett. Zwar kann sie sich an die Meisten Erlebnisse erinnern, aber nicht, was sie in diesen Momenten gefühlt hat. Nur noch mit Sam, ihrem Freund aus der Kindheit, verbindet sie noch etwas und möchte ihn unbedingt wiedersehen. Doch eigentlich haben die beiden keinen Kontakt mehr, nachdem Norah beliebt wurde und Sam nicht. Trotzdem möchte Sam sie auf dem Weg zurück ins Leben unterstützen.. 

Mit Norah hatte ich am Anfang so meine Probleme, denn irgendwie wirkte sie unglaublich arrogant, aber auch gleichzeitig etwas naiv und ich konnte mich überhaupt nicht mit ihr identifizieren. Nach dem Unfall war sie dann wie ausgewechselt und sie wurde mir immer sympathischer. Trotzdem habe ich mich oftmals gefragt, wie sie vor dem Unfall wirklich war, wenn alle so überrascht von ihrer Entwicklung waren. Oftmals tat mir Norah einfach unglaublich leid, denn sie hat teilweise so verloren gewirkt. Nach und nach findet sie allerdings wieder zu ihrer alten Stärke zurück, probiert alte und neue Dinge aus und steht vor allem auch für sich selbst ein. Diese Entwicklung mochte ich unglaublich gerne, denn im Grunde genommen ist Norah ein freundlicher, lebensfroher und humorvoller Charakter, den man einfach gern haben muss.
Sam mochte ich von Beginn an, denn er ist ein sehr liebevoller und hilfsbereiter Charakter. Er ist eher ruhig und zurückhaltend und liebt die Musik. Vor allem unterstützt er Norah, wo er nur kann und handelt dabei sehr selbstlos. Man merkt ihm aber auch immer wieder an, dass er in den vergangenen Jahren einiges durch machen musste und dies nicht spurlos an ihm vorbei gegangen ist. Trotzdem möchte er nach vorne schauen und vor allem keine Schwäche zeigen. Auch er macht eine wirklich tolle Entwicklung durch. 
Ich mochte es vor allem auch, wie die beiden miteinander umgegangen sind. Man hat vom ersten erneuten Aufeinandertreffen an eine gewisse Vertrautheit und Verbundenheit zwischen den beiden gespürt, obwohl auch jede Menge verletzte Gefühle mit im Spiel waren. Dennoch haben die beiden immer mehr zueinander gefunden und es war einfach so schön mitzuerleben, wie Sam Norah bei ihrer Liste unterstützt und sie sich dafür auch revanchieren konnte.

Ich bin freiwillig zurück in den Sturm, der mich zerriss, und es gibt nur zwei Wege, wie das Ganze ausgehen wird: mit Norah an meiner Seite oder ohne sie. (Seite 201)

Nebencharaktere gibt es in diesem Buch auch einige, die sich nahtlos in die Geschichte einfügen und diese mitgestalten. Vor allem Norahs Eltern und ihre kleine Schwester Lu mochte ich total gerne. Sie sind sehr fürsorglich und unterstützen Norah mit allen Kräften, aber geben ihr auch den Freiraum, den sie braucht. Meiner Meinung nach hat vor allem Lu die Geschichte mit ihren besserwisserischen Sprüchen immer wieder aufgelockert. Auch Sams Mutter war mir sympathisch. Auch wenn sie manchmal etwas distanziert gewirkt hat, konnte man doch erkennen, dass sie immer für ihren Sohn da ist. Ganz anders sah es da mit Norahs Freunden Ella und Tim sowie ihrem festen Freund Jonas aus. Die drei Freunde waren mir von Beginn an unsympathisch und ich hatte einfach kein gutes Gefühl bei ihnen, denn irgendwie war die Beziehung untereinander so toxisch. Das ungute Gefühl wuchs gefühlt von Seite zu Seite und ich war überrascht, als sich am Ende zumindest bei einer Person noch etwas getan hat. 

Seit ich letztes Jahr Alles. Nichts. Und ganz viel dazwischen. von Ava Reed gelesen habe, bin ich ein großer Fan von den realistischen Jugendbüchern der Autorin. Deswegen habe ich mich auch schon total auf Wenn ich die Augen schließe gefreut und wurde definitiv nicht enttäuscht. Der Schreibstil von Ava Reed ist gewohnt locker leicht und lässt sich angenehm lesen. Außerdem ist er von der ersten Seite an absolut fesselnd. Wenn ich das Buch nicht in einem Buddy Read gelesen hätte, hätte ich es wohl innerhalb weniger Stunden durch gehabt. Ava Reed nimmt den Leser dabei mit auf eine Achterbahn der Gefühle, denn diese stehen hier eindeutig im Vordergrund. Dadurch, dass die Geschichte zum Großteil aus Norahs Sicht erzählt wird, hat man einen guten Einblick in ihre Gefühls- und Gedankenwelt und kann ihre Emotionen hautnah miterleben. Hier gab es immer wieder einige Rückblenden in Norahs Vergangenheit, die manche Gedankengänge noch greifbarer gemacht haben. Ab und zu gab es auch Kapitel aus Sams Sicht, wodurch man ihn auch besser kennenlernen konnte und er seine ganz persönliche Geschichte erzählen konnte. Von diesen Kapiteln hätte ich mir noch mehr gewünscht. Trotzdem konnte ich mit beiden Charakteren mit hoffen, leiden, lachen und habe auch das ein oder andere Tränchen verdrückt. Denn obwohl die Geschichte eher ruhig ist, werden umso wichtigere Themen behandelt, die so ihre ganz eigene Stimme erhalten.

Das Leben hinterlässt bei uns allen Narben, gute und schlechte, tiefe und kleine. Die auf der Haut und die in uns drin. (Seite 98)

In diesem Buch nimmt Ava Reed das Thema Mobbing und Gruppenzwang auf und ich glaube jeder hat dies schon mal im wahren Leben erlebt - ob als Opfer, Täter oder Zuschauer. Man erhält nicht nur wichtige Informationen über das Thema, sondern sie zeigt auch, dass Mobbing keine Grenzen kennt, wenn man nichts dagegen unternimmt. Gleichzeitig macht sie mit der Geschichte von Norah und Sam aber auch Mut und ich hoffe, dass dieses Buch ganz viele Leute findet! 

Mobbing bedeutet Kontrolle. Mobbing bedeutet, sich über jemanden zu stellen. (Seite 270)

Das Cover des Buches finde ich einfach wunderschön gestaltet und es ist durch die zarten Farben in Kombination mit dem goldenen Schriftzug ein echter Hingucker. Auch die Seitenklappe mit dem Schriftzug "Breathe. Feel. Trust." finde ich wirklich cool, obwohl sie beim Lesen auch manchmal etwas gestört hat und ich sie vor allem nicht kaputt machen wollte. Aber nicht nur äußerlich ist das Buch richtig schön, sondern die Gestaltung zieht sich auch durch das Innere, denn jedes Kapitel ist mit Schmetterlingen oder Ranken verziert. 

Mit Wenn ich die Augen schließe hat Ava Reed wieder ein realistisches Jugendbuch geschaffen, dass mich nicht nur sehr berührt hat, sondern vor allem auch ein sehr wichtiges Thema unserer heutigen Gesellschaft aufgreift. Dieses Buch ist eine absolute Leseempfehlung meinerseits. 

Vielen Dank an den Loewe-Verlag für das Rezensionsexemplar!

Keine Kommentare